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Liebe M.W., hier nochmals Deine „Geburtstags-Geschichten“:
Das war genug Verschnaufpause, um zum nächsten Köln-High-light zu pilgern – die Lesung von A. L. Kennedy war auch sehr toll und spannend – sie wirkte, bevor sie auf der Bühne zu sprechen anfing, wie eine graue Maus, eine kleine, unscheinbare zierliche Frau mit schlampig zusammengebundenen dünnen langen Haaren, in einer groben schwarzen Lederkluft, gar nicht zurechtgemacht – wie sie es auf den Buchdeckel-Fotos jedoch immer ist – sobald sie dann mit Bernhard Robben, einem großen bulligen deutschen Schauspieler, zu reden anfing, der auf Englisch mit ihr über das neue Buch (Roman über das Auftauchen von Cyrano de Bergerac im gegenwärtigen Leben einer Schottin) sprach und dann kurz und bündig und ironisch übersetzte, hatte sie das Publikum binnen Sekunden in der Hand – sehr spritzig und witzig – auch als sie ihre Texte auf Englisch las – obwohl die nicht in sich heiter sind – Beziehungsgeschichten und Schicksale der härteren Art, aber sehr feinsinnig beobachtet und geschildert – B. Robben meinte sarkastisch, aus Schottland käme derzeit inhaltlich nur Sex and Crime. Auch die deutschen Passagen, die inhaltlich immer gleich an die englischen anschlossen und von einer deutschen Schauspielerin gelesen wurden, waren gut gewählt

So, (wieder besonders für M.W. – wäre was für Dich gewesen) aller guten Lesungen sind drei – auch am Sonntagvormittag zog es mich zu litcologne – schließlich war ich in Köln, der Stadt, in der sich Alice Schwarzers Frauenmediaturm befindet – der stand ja auch auf meiner Frauenort-Wunschliste, aber ich hatte dort keinen Termin geschafft – also auf zur Kölner Oper – Matinee mit Lesung von A.S. und der französischen Autorin Christine Angot und deren – ich ergatterte auch hier wieder eine Karte, die Oper (neuer halbrunder Bau) war bummvoll (rappelvoll, wie man/frau hier sagt), zu 90% Frauen – und es war wirklich wieder sehr spannend – die beiden Autorinnen, die beide Gewalt und Ungerechtigkeiten gegen Frauen und auch Wege und Mittel dagegen thematisieren, und doch nicht verschiedener hätten sein können – A.S. handelte das Thema durch ihre Lesung aus dem neuen Buch über Romy Schneider auf der psychologisch-analytischen Ebene ab, und wollte auch psychologisierend-gesellschaftskritisch diskutieren, wohingegen Chr. Angot als zornige atemlose junge Frau auftrat und in erster Linie als Literatin ernstgenommen werden wollte – auch sie las ihre französischen Ausschnitte selbst – ganz vorne an der Bühnenrampe stehend, schleuderte in rasantem Tempo einen Satz nach dem anderen ins Publikum – ihre ganze Haltung war demonstrierte Kraft und reines Aufbegehren – die Beine in flachen festen Halbschuhen in den Boden gestemmt, das Becken vorgeschoben, anliegende beige Jeans und ein ebenso anliegendes dunkles kurzes langärmliges Oberteil, in der einen Hand auf halber Armlänge das Buch vor sich haltend, mit dem anderen Arm je nach Passage aus dem dritten Teil der autobiographischen Romane über ihr Beziehungsleben heftig oder sanft gestikulierend oder schnell das kurze dunkle Haar aus der Stirn streichend

Auch in dem anschließend geplanten Dialog, als sie schon wieder neben A. Schwarzer hinter dem Tisch saß, war ihre Intensität viel stärker spürbar, und durch deren seltsamen Gesprächsbeginn, in dem sie von der Jüngeren zu wissen verlangte, wie diese durch das literarische Verarbeiten ihrer Erlebnisse sich weiterentwickle, nahm das ganze Gespräch eine Wendung, in der Angot sich verteidigte bzw. Schwarzer angriff, sie mache aus ihr wieder ein Opfer, das sich aus Zwängen etc. selbst zu befreien hätte
ja, kann man/frau sich gar nicht vorstellen, dass Alice Schwarzer da plötzlich in die Rolle der Beschwichtigenden, Begütigenden geriet
leider musste ich dann zum Zug Richtung Charlottenberg und konnte nicht bis zum Ende bleiben, aber es hätte mich sehr interessiert, wie und ob die Kölner Bürgermeisterin, eine junge Literaturwissenschaftlerin, die die Matinee nur an- und abmoderierte und sonst nicht auf der Bühne war, die beiden wieder aus dem Streit herausführte (die junge Übersetzerin geriet fast in die Schusslinie, als die beiden sich heftige Wortgefechte lieferten, sodass sie mit dem Übersetzen nicht mehr nachkam) – im fast durchwegs feministischen Publikum (meiner Einschätzung nach) – summte und brummte und brodelte es wie im Bienenstock

so, und dann wieder ein Frauenbildungszentrum, wie schon berichtet – Charlottenberg – hier noch ein Rückblick - das Interview war wieder sehr aufschlussreich – vor allem, was Referentinnenhonorare angeht – es gibt ja da verschiedene Systeme, das eine bietet für alle die gleiche Höhe, die Preise für Kurs und Unterkunft und Verpflegung sind allerdings im Kombipaket und werden je nach selbstangegebenem Einkommen der Teilnehmerinnen gestaffelt, oder die Referentinnen können jeweils selber bestimmen, wie viel unterm Strich für sie rauskommen sollte, nach im vorhinein geschätzter Anzahl der Teilnehmerinnen wird das dann auf diese umgelegt und der Preis für die einzelne geschätzt – wenn weniger zum Kurs kommen, kriegt die Kursanbieterin weniger – immer die Frage, wo liegt die Hauptausrichtung des Hauses – gilt die Vielfalt und Unterschiedlichkeit und Ausbildung und Thematik mehr, oder die Solidarität und Egalität? Und immer muss es für das Haus selbst kostendeckend sein, soviel steht fest – Kalkulation, Kalkulation, Controlling, Controlling...

so, wie war der heutige Tag? Abschließendes üppiges Frühstück in Charlottenberg, fast ein Brunch, so wie er früher einmal war – im Ottimo (Schleichwerbung, Schleichwerbung – den Samstagsbrunch gibt’s leider nimmer, aber sonst tolle Sachen, vgl. www.ottimo.at ;-))
nochmals Gelächter geerntet, weil ich das „Glück Naht“-T-shirt der www.weiberwirtschaft.at anhatte (das und die Aufschriften „WELT STATT INNSBRUCK“ und „Lebens-Abschnitts-T-shirt waren schon in Zülpich bei den dortigen Kursteilnehmerinnen der Renner)
elfie meinte am 27. Mär, 19:19:
spannend
und ganz hautnah lässt du uns miterleben liebe barbara!
bin ganz fasziniert von deinen erlebnissen und den schilderungen - "wie sie ihre sätze ins publikum schleudert" und ähnliche feinheiten.

wann bist du denn wieder daheim? mir fehlt diesbezüglich der plan.
auf alle fälle freu ich mich sehr dich wieder zu sehen und uns alle 4 auf einen streich zu erleben.
übrigens alle 4: was ist mit euch restkugeles?
frau hört und sieht nix -
also bis dann
elfie 
 

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